KenFM: StandpunkteJenseits der Komfortzone | Von Susanne Begerow
13min2021 JUN 28
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Den vollständigen Standpunkte-Text (inkl ggf. Quellenhinweisen und Links) findet ihr hier: https://kenfm.de/jenseits-der-komfortzone-von-susanne-begerow/Gefahren sollten nicht als etwas genuin Schlechtes betrachtet werden, sondern als Herausforderungen, an denen wir wachsen können. Ein Standpunkt von Susanne Begerow. Sicherheitsbedürfnisse stehen momentan absolut im Fokus. Schutz vor Ansteckung, Schutz vor Terrorismus und Kriminalität, Schutz vor Umweltschäden und dem sozialen Abstieg... Wir werden dazu angehalten, uns vor dem Leben zu verkriechen. Aus dem Bedürfnis heraus, nichts falsch zu machen, machen wir am Ende gar nichts und verharren in einer angstvollen Stagnation. Könnte es nicht sein, dass neben den Sicherheitsbedürfnissen auch Risikobedürfnisse eine Daseinsberechtigung haben — dass wir Gefahren im Leben geradezu brauchen? Gefahr hat uns über die ganze Menschheitsgeschichte hinweg begleitet. Sie hat mit dazu beigetragen, persönliches Wachstum zu fördern und uns zu dem zu machen, was wir jetzt sind. Wenn wir in den Zeiten des „Supergrundrechts Sicherheit“ versäumen, sie angemessen zu würdigen, ist das zu unserem eigenen Schaden. Und Odysseus schaute lange sorgenschwer auf sein Schiff, die Gefährten und das weite wogende Meer und wählte seine Worte wohlbedacht: „Ich denke, das ist zu gefährlich. Wir bleiben hier!“ Ein Lobgesang auf die Gefahr — der Titel verstört Sie? Hervorragend! Darauf können wir aufbauen! Ja, die Formulierung klingt provokant und genau das soll sie angesichts des aktuellen Primats des Sicherheitsgedankens auch sein. Der Konsens lautet seit Längerem: alles für die Sicherheit — Helme, Handschuhe, Handbücher, Gurte, Masken, Konzepte, Vorschriften, Verordnungen, Gesetze, weil wir davon ausgehen, dass Sicherheit durchweg gut ist, dass es gar nicht sicher genug sein kann und jeder Preis dafür nur recht und billig ist. Die Sicherheit ist das Wichtigste und jedes Opfer muss fraglos erbracht werden in einer Solidargemeinschaft. Ihre Verteidigung rechtfertigt jedes Mittel — auch die Gewalt. Schutz ist omnipräsent und erstes Gebot. Auch der Natur und ihren Phänomenen wohnen unkalkulierbare Gefahren inne, gegen die der Mensch mit seiner überlegenen Intelligenz stetig neue Sicherheitsmaßnahmen ergreifen muss. Ja, ich provoziere ein bisschen, Sie dürfen mich später steinigen, zuerst möchte ich noch meine Ode vollenden... Dass ich Odysseus zur Verdeutlichung meines Anliegens heranziehe, möge mir verziehen sein, es ist nicht nur der Umstand, dass wir seiner Risikobereitschaft ein Kulturgut zu verdanken haben und im Bücherregal einen schicken Folianten, sondern vielmehr ein veritables Beispiel für den bewussten Entschluss, ein Risiko einzugehen, eine Herausforderung anzunehmen, bei der so ziemlich nichts sicher ist — außer treuen Gefährten im Boot und listiger Gattin daheim. Es ist eine Heldenreise, in deren Verlauf Schwierigkeiten zu überwinden, Schätze — womöglich gar ein Gral — zu finden, ein jungfräuliches Wesen (m/w/d) zu retten, mächtige Gegnerinnen zu besiegen sind und nach bestandenen mannigfaltigen Prüfungen gewachsen, gereift und zu guter Letzt geehrt und vielbesungen mit in gebotener Bescheidenheit gewölbter Heldenbrust auf einem Sockel Platz zu nehmen ist. Zentral ist dabei die innere Reifung des Helden, Wachstum seiner Tugenden, Tapferkeit Loyalität, Selbstdisziplin. Tamino musste schweigen, offenbar eine der schwersten Übungen, Orpheus durfte sich nicht umsehen, selbst solch eine Kleinigkeit kann halt auch ganz übel schiefgehen. Initiationsriten enthalten übrigens ähnliche Momente, ein gefährliches Tier ist zu erlegen, Schmerzen sind auszuhalten, eine spirituelle Erfahrung muss bewältigt werden… Eine positive Entwicklung bedarf der Konfrontation mit Gefahren. Nun sind Helden heutzutage eine eher spärlich gesäte Gattung und einen Gral fin...